Smart Regions: Eine Zukunftschance für Kommunen

Hände eines Mannes über einer Tastatur, die eine scheint eine Grafik einer Stadt mit verschiedenen Zahlen und Codes rund herum zu halten

Smart Cities und Smart Regions machen ihren Bürgerinnen und Bürgern das Leben leichter. Sie setzen auf IT, um unkomplizierter, mobiler, resilienter und nachhaltiger zu werden. Prof. h.c. Dr. Chirine Etezadzadeh, Gründerin und Leiterin des SmartCity.institute in Stuttgart, forscht seit 14 Jahren zu dem Thema. Welche Vorteile eine solche Stadtentwicklung hat und warum das Konzept auch für ländliche Regionen Vorteile bringt, verrät sie im Interview.

1) Wie smart sind deutsche Städte und Kommunen Ihrer Meinung nach heute schon?
Im Vergleich zu anderen Regionen der Welt sind unsere Kommunen mit Blick auf den Einsatz von smarten Technologien nicht sehr weit entwickelt. Zahlreiche Prozesse laufen in deutschen Städten und Gemeinden noch analog oder digital gestützt, entsprechend den gewachsenen Prinzipien und Prozessen der deutschen Verwaltung. Das Gegenbild dazu wären Prozesse und Prinzipien, die nach den Möglichkeiten der Digitalisierung und KI gestaltet, reguliert und genutzt werden, um ein hohes Maß an Effektivität zu erzielen.

2) Wir leben in Krisenzeiten, die auch Kommunen spüren. Wie könnte mehr Smartness helfen, diese zu bewältigen?
Generell kann man sagen, dass Smartness in fast jeder Krisensituation hilfreich ist und zudem Prozesse ermöglicht, die dazu beitragen, das Aufkommen von unerwünschten Ereignissen zu verhindern oder ihre Intensität abzuschwächen. Betrachten wir z.B. den Klimawandel und Extremwetterereignisse oder auch die voranschreitende Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit. Diesen Entwicklungen können wir beispielsweise mit einem smarten Energiemanagement, integrierten Mobilitätsangeboten sowie mit den nun äußerst wichtigen und vielfach unterbewerteten Klimaanpassungsmaßnahmen begegnen. Gleiches gilt für integrierte Stadtplanungsverfahren, ein intelligentes Ressourcenmanagement, Kreislaufwirtschaftsprozesse, Emissionskontrollen oder Kontrollen im Bereich der Umweltverschmutzung. 
All das und mehr kann – technisch gestützt – deutlich effektiver werden, als es bisher praktiziert wird. Wichtig ist, dass die Stadt- und Gemeindebewohner in die Maßnahmen eingebunden werden.

3) Technisch gibt es im Moment oft eher bunte Flickenteppiche aus verschiedenen Lösungen. Eigentlich das genaue Gegenteil von smart und effizient. Woran liegt das und wie könnte man das ändern?
Bezogen auf Deutschland findet man Gründe für heterogene Systemlandschaften vor allem in den föderalen Strukturen und kleiteiligen Zuständigkeiten. Im Bereich der Smartness liegt es am bislang sehr dezentralen Ansatz mit dem wir das Thema kommunal erschließen. Es gab lange Zeit, außer den Förderprogrammen, keine zentrale Koordination des Themengebiets. Bis heute gibt es landesweit zu wenig interkommunale Kooperation. 
Derzeit wird vom Bund ein Angebot aufgebaut, das die Gesamtlage verbessern soll. An Regulierungen und Standards wird gearbeitet. Dennoch sind motivierte Kommunen durchaus auf sich und ihr beratendes Umfeld gestellt. Das gibt uns Freiheit, Dinge auszuprobieren, allerdings in einer Phase, die sich bereits mit dem Roll-out von erprobten Lösungen befassen könnte. 

4) Smart Cities verbinden viele nur mit Großstädten. In wie fern kann das Konzept der Smart Region auch das Landleben entscheidend verändern?
Das SmartCity.institute bezieht seit jeher auch kleine Kommunen und den ländlichen Raum in die Arbeit mit ein. Den ländlichen Raum beforsche ich sehr bewusst und intensiv. Dabei zeigt sich, dass smarte Lösungen, so wie wir sie verstehen, dort Positives bewirken können. Ich denke hierbei insbesondere an den Bereich der Energie- und Wärmeversorgung, aber auch an die gemeinschaftliche Nutzung von Datenplattformen und anderer Infrastrukturen. Wir bemühen uns aktuell darum, in diesem Bereich kommunale Partner zu finden und auch hier ausschließlich sinnvolle Lösungen in Anwendung zu bringen, damit das Landleben seine Qualitäten wahrt.
Grundsätzlich halte ich es für wichtig, Kommunen nicht singulär zu betrachten und regional bzw. interkommunal zu denken. Dies gilt auch für Projekte in Großstädten. 

5) Wo können kleinere Städte oder Kommunen anfangen?
Sie können überall dort anfangen, wo es Handlungsbedarfe gibt. Entscheidend ist, dass die Lösungen echten Nutzen stiften. Sonst finden Sie, insbesondere im ländlichen Raum, keine Akzeptanz.

6) Kann man die Skepsis der Menschen überwinden? Wie werden aus Bürgerinnen und Bürgern Smart Citizens?
Die Bedenken sind berechtigt. Folglich gilt es, miteinander in Austausch zu treten und zu bestimmen, was das gemeinsame Ziel ist. Dann können Lösungen gefunden und geprüft werden. Transparente Prozesse tragen dazu bei, dass die Lösungen auch zur Implementierung gelangen.
Des Weiteren gibt es verschiedene Themengebiete, zu denen Stadtbewohnern Aufklärung angeboten werden sollte. Dies gilt zum Beispiel für die Bereiche Krisenmanagement und Klimaanpassungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang könnte man gemeinschaftliches Handeln üben und Freude daran entwickeln. Hier könnte der ländliche Raum eine Vorbildfunktion einnehmen.